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Für die Abschaffung von Noten?

Bei den SchülerInnenprotesten der letzten Monate und Jahre wurde die Abschaffung von Noten immer wieder heiß diskutiert. Besonders die „JungdemokratInnen“ vertreten diese Forderung, und auch das neue Programm von REVOLUTION, die Grundsatzpositionen, beinhaltet diese Forderung. Auf unserer internationalen Konferenz wurde diese Position mehrheitlich beschlossen, aber die inhaltliche Debatte zum Thema konnte nur angeschnitten werden. Es gibt unterschiedliche Meinungen innerhalb von REVOLUTION, und das wollen wir keineswegs verheimlichen. Als Gruppe werden wir die beschlossene Position vertreten, aber wir wollen beide Seiten zu Wort kommen lassen, da diese Debatte unter praktisch allen linken SchülerInnenstrukturen geführt wird. In Zukunft soll eine Debattenseite in jeder Ausgabe unserer Zeitung erscheinen, um Debatten innerhalb von REVOLUTION aber auch mit anderen linken Gruppen zu ermöglichen.

Auf forum.revolution.de.com kannst du mitdiskutieren!

Ich will keine Zahl sein!

Wenn Menschen den Kapitalismus kritisieren, dann ist einer der häufigsten Punkte der ständige Konkurrenzkampf zwischen einzelnen Menschen und in der gesamten Menschheit überhaupt. Kein Wunder also, dass SchülerInnen in der kapitalistischen Gesellschaft schon sehr früh „beigebracht“ wird, ständig miteinander zu konkurrieren, und der einfachste Weg, um das zu tun, ist die Einordnung der Schüler­Innen durch Noten.

Dadurch, dass Noten Zahlen sind, erwecken sie den Anschein vollständiger Objektivität und Neutralität, obwohl Studien zeigen, dass gerade dies nicht der Fall ist. Im Gegenteil! Die Analyse von Noten zeigt, dass sie gerade das nicht erfüllen können, was wir von ihnen erwarten: präzise Information über den Leistungsstand. Noten beinhalten gar nicht genug Informationen, um präzise zu sein. Tatsächlich kann ein und diesselbe Note für völlig unterschiedliche Leistungen stehen. Ein/e faule/r SchülerIn kann dieselbe Note erhalten wie ein/e hart Arbeitende/r, wenn seine/ihre Antworten dafür „richtiger“ sind.

Außerdem kann die gleiche Leistung völlig unterschiedliche Noten zum Ergebnis haben, abhängig von LehrerInnen, der Klasse, der Schule, der Stadt, usw.

Menschen stellen sich Noten als neutral und fair vor, obwohl in der Realität völlig unterschiedliche Leistungen und Erwartungen hinter diesen Zahlen stecken. Da diese allerdings nicht zu erkennen sind, sind wir dazu gezwungen, die Noten als gleichwertig zu sehen, und kreieren dadurch eine Vergleichbarkeit, die so gar nicht existiert.

Was ist nun die Alternative zu den selektierenden Noten? Das kann nur eine schriftliche Bewertung sein. Ein solcher Text ist natürlich nicht objektiver als Noten, aber wenigstens suggeriert er das auch nicht. Allerdings ist damit nicht alles getan! Nichts wird sich ändern, wenn Nummern nur gegen die immer wieder gleichen Sätze ersetzt werden. Stattdessen sollten LehrerInnen mit ihren SchülerInnen zusammen an der Bewertung ihrer Leistungen arbeiten. LehrerInnen müssten dann zu einer sensiblen Wertung ihrer SchülerInnen gebildet werden, die weit über das einfache Notensystem hinausgeht, und sie befähigt, ihre Vorankomnisse kritisch zu werten.

Das ist natürlich deutlich komplexer als einfach eine Zahl auszuwählen, aber dieser lohnenswerten Schwierigkeit könnte man begegnen, indem man die Klassen und Stundenzahlen. reduziert. Es gibt keinerlei Grund zu glauben, dass ein erweiterter Selbstbewertungsprozess die Motivation zum Lernen zerstört – Studien dazu beweisen das Gegenteil, denn wer selbst das Lernen bestimmt, hat mehr Motivation dabei. Aber es gibt einen Grund für fundierte schriftliche Bewertung und das ist eine freie Bildung für alle Individuen.

von Evey, Revo Berlin


Ich will Wissen, wie ich stehe

Dem Kapitalismus ist es gelungen, ein allgemeines Bildungssystem hevorzubringen und er hat damit, zusammen mit anderen Faktoren, „einen bedeutenden Teil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entrissen“ (Marx und Engels). Gleichzeitig ist das Bildungssystem des Kapitalismus ein Ort, wo Menschen mit kapitalistischer Propaganda vollgestopft werden. Daher ist es notwendig das Bildungssystem zu verändern. Doch die Abschaffung von Noten wäre ein Schritt in die falsche Richtung.

In der Schule werden wir von unseren LehrerInnen benotet. Von daher können Noten auch niemals zu 100% objektiv sein, denn LehrerInnen sind ebenso Menschen und sind daher nicht in der Lage Faktoren wie Symphatie aus ihrer Bewertung vollständig zu entfernen. Ich bin allerdings nicht davon überzeugt, dass die Abschaffung von Noten diese Schwäche eliminieren wird, paradoxerweise könnte es das Ganze noch schlimmer machen. Ohne Noten ist es für SchülerInnen unmöglich, ihre Leistungen und Wissensstand mit KlassenkameradInnen zu vergleichen.

Nehmen wir mal ein Beispiel: Bei einer schriftlichen Prüfung über den Ersten Weltkrieg beantwortest du neun von zehn Fragen korrekt, während jemand, der nicht für den Test gelernt hat, nur drei von zehn Fragen richtig beantwortet. In einen Sytem mit Noten hättest du 90% korrekt beantwortet und der Andere 30%. Das könnte ebenso die Benotung sein. Oder die Noten 1 bzw. 4, das hängt von der Notenspanne ab. Mir ist bewusst, dass die Benotung von 1-5 manchmal ungerecht sein kann, aber das kann kein Grund für die Abschaffung von Noten insgesamt sein. Was würde in einem System ohne Noten passieren? Der/die Lehrer/in würde sagen: „Du bist gut, du hast genug gelernt, dein Mitschüler nicht.“ Aber woher sollen wir wissen, was genug ist? Noten sind eine Interpretation deiner Leistung, nicht deiner Persönlichkeit.

Der Umgang mit Noten sollte sich verändern und nicht abgeschafft werden. Noten durch kleine Texte zu ersetzen ist nur ein winziger Schritt, um unfaire Bewertung in Schulen zu bekämpfen. Stattdessen sollten wir Vorschläge machen, wie man unser Wissen objektiver bewerten könnte. Tatsächlich ist ein Vorteil von schriftlicher Benotung, dass die eigenen Stärken und Schwächen präziser ausgesprochen werden und dass Möglichkeiten zur Verbesserung aufgezeigt werden. Derartiges sollte natürlich Teil schulischer Bewertung sein, macht allerdings nicht die Abschaffung von Noten nötig. Denn gleichzeitig besteht die Gefahr, dass ohne gute und klare Bewertungsmaßstäbe für kleine Kinder, die die Bedeutung von Bildung für die persönliche Entwicklung noch nicht verstehen, keinerlei Motivation und Möglichkeit vorhanden ist, um sich mit Anderen zu vergleichen.

Die Debatte um Noten ist recht zweitrangig, betrachtet man andere Probleme in der Schule. In Tschechien beispielsweise existiert eine starke rassistische Diskriminierung von nicht-weißen SchülerInnen. Und das ist deutlich wichtiger als die Abschaffung von Noten zu diskutieren!

//von Roman, Revo Prag

//REVOLUTION Nr. 30

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