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Ein Sommernachtsalptraum

Diesen Sommer tobte etwas durch Deutschland, welches verglichen mit Hurrikan Katrina oder dem Tsunami in Südostasien ein Witz, vor allem aber für die Linke in der BRD eine Katastrophe war.

Von 9.Juni bis 9.Juli in Deutschland: Im Vorfeld durften wir schon viel über sie lesen. Es wurden die schlimmsten Hooligan-Krawalle vorhergesehen und die brutalsten Terroranschläge herbei geredet. Das Grundgesetz sollte ausgehöhlt und High-Tech-Militär zum Einsatz kommen.

Am 9. Juni war es soweit: das Eröffnungsspiel in München konnte beginnen und zugleich ebenso ein nationalistischer Hype, welcher nach dem Zweiten Weltkrieg wohl selten so groß war. Fuhr man mit der Bahn, mit dem Bus oder ging gar in der Innenstadt zu Fuß, überall sah man Schwarz-Rot-Gold bzw. „Schwarz-Rot-Geil“, wie der Springer-Verlag es umtaufte.

Schon nach wenigen Tagen vermeldeten die Bau-und Supermärkte: Deutschland-Fahnen ausverkauft! Auf einmal war es wieder hip, sich zu Deutschland zu bekennen. Niemand musste mehr Gefahr laufen, als Nazi abgestempelt zu werden.

Die sonst nur von Fussballspielen bekannten und oft als asozial abgestempelten grölenden Männerhorden, welche durch die Straßen zogen und sangen, waren nun vor und nach dem Spiel überall zu sehen.

Die Paralellen

Wer daraufhin Parallelen zog zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, der wollte dem feiernden Deutschland-Mob halt einfach seinen Spaß nicht gönnen. Und doch, dort sind einige Parallelen. Wie ‘36, so nutze die Regierung und auch der „Standort Deutschland“ dieses Großevent, um sich weltoffen und freundlich zu präsentieren. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt uns, dass 1936 antisemitische und sonstige diskriminierende Schilder und Hinweise entfernt wurden. 2006 geschieht etwas ähnliches: „Die Welt zu Gast bei Freunden” hieß das WM-Motto und doch wurden eben diese „Freunde“ aus Ländern der 3. Welt aus Deutschland abgeschoben. Wer bleiben durfte, musste, vor allem in Ostdeutschland, Angst davor haben Opfer eine neonazistischen Attacke zu werden.

„Brot und Spiele fürs Volk“ – so präsentierte man den party-betäubten Massen ganz einfach die neue Planung bezüglich Gesundheitsreform etc. und kaum einer scherte sich drum.

Starke Führungspersonen waren wieder gefragt – „Der Kaiser” Franz Beckenbauer präsentierte sich vor und während dem Turnier als der Übervater der Weltmeisterschaft und beschäftigte sich, als Fussballakteur nun auch mit Politik. So befürwortete er unter anderem auch Bundeswehr- und gar NATO-Einsatz im Innern.

Auch konnte mit der WM bestens geworben werden. Zwar hatte die FiFa alle wirklichen Marken wie Fusbballweltmeisterschaft 2006 etc. schon für sich und seine Top-Sponsoren um Adidas, Coca Cola und McDonalds beansprucht. Beim Thema Sponsoren fällt auch gleich sehr auf, dass die sonst finanziell-desolate Deutsche Bahn als Nationaler Sponsor Millionen in die WM pumpte und sowohl Fahrgast als auch Steuerzahler somit für dieses Megaevent nicht das erste Mal unfreiwillig blechen musste.

Nicht zu vergessen auch der Punkt, dass der „Standort Deutschland“ beworben werden sollte in aller Welt mit Gastfreundlichkeit, Qualität, Ordnung, Zuverlässigkeit und Sicherheit. Und wo wir grad bei Sicherheit sind: wo waren nun die abertausenden Hooligans die das Fest der Fussball-Völker zerstören wollten? In Presse und Medien jedenfalls waren sie so gut wie nirgends erwähnt worden.

Die Ausschreitungen

Berichte über Ausschreitungen wurden ganz klein in die letzte Ecke der Zeitung gequetscht, doch sie waren da. So erfuhr der/die Aufmerksame unter anderem, dass nach und vor dem Spiel Deutschland-Polen etwa 500 Fans festgenommen wurden; dass am Rande der englischen, holländischen und deutschen Spiele immer wieder Gruppen von bis zu 20 Personen in Gewahrsam genommen wurden. Die deutsche Presse verstand sich nur zu gut darin, derartige Dinge zu vertuschen.

Alles in allem konnte also, vor allem dank der Medien, der Eindruck vermittelt werden, dass Deutschland der ideale Standort für Großkonzerne sei. Im innern friedlich und sauber mit BürgerInnen, die genau das taten was sie sollten: friedlich feiern und konsumieren. Die Brauereien freuten sich geradezu über die Blüte ihrer Industrie und die verzeichneten Rekordgewinne.

Nun ja, alles in allem ist zu sagen, dass es wirklich ein anstrengender Monat war. Die Deutschland-Fahne konnte sich in der Öffentlichkeit etablieren und der deutsche „harmlose” Patriotismus erblühte wie selten zuvor nach 1945. Hinsichtlich der Fußball-EM 2008 in Österreich und der Schweiz sollte die Linke schon jetzt versuchen, durch Aufklärung einen erneuten nationalistischen Supergau zu verhindern.

//von Rah aus Stendal //REVOLUTION Nr. 19

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