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Die sexistische Kanzlerin

Zum ersten Mal in der Geschichte hat eine Frau das höchste Amt im deutschen Staat inne. Ist das etwas Positives für Frauen?

George Orwell schrieb mal: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher als andere.“

Ein ähnliches Phänomen konnte man im Wahlkampf beobachten. In dieser Gesellschaft sind Frauen gleichberechtigt, aber weniger gleichberechtigt als Männer. Diskriminierung von Frauen prägt jede kapitalistische Gesellschaft, auch die ach so fortschrittliche deutsche „Demokratie“.

In deutschen Konzernen sind über 90% der Führungskräfte männlich, und in der Deutschland AG gibt es eine ähnlich niedrige Frauenquote. Bei diesem Wahlkampf stand vier Kanzlerkandidaten eine einzige Kandidatin gegenüber – und selbst dieser 20%-Frauenanteil war ein Rekord!!!

Obwohl sie bis zum Auszählen der Stimmen als uneinholbare Favoritin galt, wurde Merkel in den Medien nicht immer als eine strahlende Sonne präsentiert. Unendlich viele Kommentare beschäftigten sich mit ihrer Frisur, der Farbe ihres Outfits, den Falten in ihrem Gesicht. Welche männlichen Politiker werden so behandelt? Wer meint, dass Schröder seine Augenbrauen zupfen oder Lafontaine ein paar Kilo abnehmen sollte?!

Mit solchen Kampagnen soll jeder Frau in der BRD klar gemacht werden: Du kannst es vielleicht ausnahmsweise bis zum höchsten Amt im Lande schaffen, aber du bist immer noch eine Frau, und deshalb zählt nur dein Aussehen.

Die schlechten Ergebnisse der CSU in Bayern (unter 50%, was nach einem Mehrparteiensystem riecht!!!) wurden dadurch erklärt, dass die CSU-WählerInnen sich schwer dazu bewegen konnten, eine Frau, dazu eine Ossi-Frau, zu wählen. Bundesweit konnte Schröder mit seinem Macho-Auftreten beim Kanzlerduell und bei der „Elefantenrunde“ punkten. Dort zitierte Schröder seine Frau: „Frau Merkel verkörpert mit ihrer Biographie nicht die Erfahrung der meisten Frauen. Die beschäftigt, ob sie Familie und Job unter einen Hut bekommen, ob sie nach der Geburt für mehrere Jahre aussteigen wollen, wie sie ihre Kinder am besten erziehen. Das ist nicht Merkels Welt.“

Egal ob Schröder, seine Frau oder sonst wer so etwas sagt, die Message ist klar: Die Aufgabe von Frauen in dieser Gesellschaft ist es, Kinder zu erzeugen, einen Mann zu versorgen und dazu noch zu arbeiten. Wer das nicht macht, ist keine richtige Frau.

Das Desaster

Trotz aller Erniedrigung: Merkel wird jetzt Bundeskanzlerin. Ist das ein Fortschritt für Frauen in der BRD? Für die eine Frau natürlich schon. Jedoch für die meisten Frauen ist das ein Desaster.

Ähnlich wie die SPD wird die CDU die Privatisierung von Kitas und die Ausweitung des Billiglohnsektors vorantreiben. Damit werden immer mehr Frauen gezwungen, entweder die Kinder zu Hause zu betreuen oder einen Billigjob anzunehmen, um die Rechnungen bezahlen zu können (oder beides). Die Doppelbelastung von Hausarbeit und Lohnarbeit wird verschärft, und die gesellschaftliche Stellung der Frauen verschlechtert.

Zu Merkels Steuerprogramm gehörte die Streichung der Steuerfreiheit für Nacht- und Wochenendschichten. Alle, die nachts arbeiten müssen, würden durch diese „Reform“ mehr Lohnsteuern zahlen – und die betroffenen Berufsgruppen bestehen häufig aus Frauen, z.B. Krankenschwestern.

Deshalb hat Merkel wenige Stimmen von Frauen bekommen, weniger als Schröder. Nicht, weil der Macho-Mann sich als Frauenfreund verkaufen konnte, sondern weil Merkels Programm konkrete Verschlechterungen für die Mehrheit der Frauen bedeutete.

Nun wird eine Frau über ein System regieren, das höchst frauenfeindlich ist. Das kapitalistische System kann ohne viel Tralala eine Frau an die Spitze stellen, wenn es darum geht, die Ausbeutung der Frauen zu vertiefen.

Auf ähnlicher Weise konnte die Bush-Regierung einige Schwarze und Hispano-AmerikanerInnen aus armen Verhälitnissen ins Kabinett holen (Colin Powell, Condoleeza Rice, usw.), um äußerst rassistische und neoliberale Gesetze durchzuziehen.

Nun, wir haben nichts gegen politische Kritik an Merkel! Doch jene Art von „Kritik“, die Angela Merkel als „Ferkel“ darstellt (taz) oder zum Kampf gegen „das Merkel“ aufruft (Titanic) oder sie einfach als „Herr Merkel“ beschimpft, ist durchaus sexistisch, weil sie primär auf Äußerlichkeiten abzielt.

Aber klar ist, der Kampf gegen Merkel und das System, das hinter ihr steht, wird nur Erfolg haben, wenn wir gegen jede Art von Unterdrückung kämpfen. Arbeiterinnen und Arbeiter, Jungs und Mädels – gemeinsam gegen Merkel und Sexismus!

//von Wladek aus Kreuzberg //REVOLUTION Nr. 14

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