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"KollegInnen" von der GdP: morgens (links) und abends (rechts)

Petra Pau und die Staatstheorie

Was macht eine angeblich linke Politikerin im Verein der Bullen?!?

Nachdem am 1. Mai eine große Masse von Menschen mit Sitzblockaden den Aufmarsch von Nazis und Rechten verhindert hatte, forderte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) "den Rücktritt von Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD), weil dieser am 1. Mai mit einer Sitzblockade gegen einen Nazi-Aufmarsch in Berlin die Polizei behindert" habe.

Natürlich begrüßen wir es, dass sich Thierse den Nazis in den Weg gestellt hat und mit seiner Bekanntheit dazu beigetragen hat, den Widerstand gegen Nazis populärer zu machen. Aber deshalb stellen wir nicht für eine Sekunde die Kritik an der SPD ein, die mit diversen rassistischen Maßnahmen und Sozialabbauprogrammen (die Abschaffung des Asylrechts und die Einführung von Hartz IV sind nur die bekanntesten Beispiele) die gesellschaftliche Situation mitgestaltet, in der die Nazis stärker werden können.

Auch ”DIE LINKE” ist eine reformistische Partei, aber immerhin nimmt sie Thierse in Schutz. Dabei offenbart sie aber eklatante Mängel für ein marxistisches Politikverständnis. Petra Pau von der LINKEn bezog zum Vorgang um Thierse und die GdP folgende Stellung: "Der Vorsitzende meiner Gewerkschaft scheint Langeweile zu haben." (Presseerklärung)

So erfährt die/der geneigte LeserIn also nebenbei, dass Petra Pau Mitglied der GdP ist. Für eineN LinkeN ein ungewöhnlicher Umstand, da MarxistInnen den staatlichen Repressionsapparat als eine zentrale Stütze des Kapitalismus verstehen. Spätestens seit Lenin wissen wir: "Das stehende Heer und die Polizei sind die Hauptwerkzeuge der Gewaltausübung der Staatsmacht, aber - kann denn das anders sein?" (Lenin, Staat und Revolution, eigene Hervorhebung)

Nun könnten natürlich clevere Linke sagen, PolizistInnen seien doch ArbeiterInnen in Uniform. Aber leider ist es nicht ganz so einfach. PolizistInnen haben sich (mehr oder weniger) freiwillig dem Staat verpflichtet und ihre Funktion besteht darin, die Ordnung nach innen aufrechtzuerhalten. Und die Ordnung heißt kapitalistische Gesellschaft.

Auch die Herrschaftsform der Demokratie ändert daran nichts, denn die Demokratie funktioniert immer nur so lange, wie sie nicht im Widerspruch zur kapitalistischen Produktionsweise steht. Sobald diese gefährdet ist, interessiert die herrschenden Klasse (die Bourgeoisie) die Demokratie einen Dreck und sie ist letzten Endes bereit, sie durch ein diktatorisches, bonapartistisches oder faschistisches Regime zu ersetzen, auch wenn das immer Krisenregime sind.

Für MarxistInnen ist es also eine Selbstverständlichkeit, dass die Polizei niemals Teil der ArbeiterInnenbewegung sein kann. Darum fordern wir, die GdP aus dem DGB rauszuschmeißen! Denn es ist schon peinlich, wenn einE Antinazi-DemonstrantIn oder einE StreikendeR von ihren/seinen “KollegInnen” in Grün eins auf die Nase bekommt.

Etwas anderes ist eine Wehrpflichtarmee. Die Wehrpflichtigen können nichts dafür, in die Armee gezogen zu werden und sie bilden potentiell natürliche Verbündete der ArbeiterInnenbewegung – "ArbeiterInnen in Uniform" eben. 

Dies zeigt wieder, dass die LINKE weit von einem marxistischen Staatsverständnis weg ist und den Platz einer zweiten Sozialdemokratie anstrebt. Wenn es auch sinnvoll ist, die LINKE in einzelnen Bereichen taktisch zu unterstützen, so warnen wir dennoch davor, Illusionen in diese Partei zu haben. Denn sie wird von vielen ArbeiterInnen, Arbeitslosen, StudentInnen und SchülerInnen gewählt, doch diese Partei wird die Interessen ihrer Basis genauso verraten wie die SPD es tut – wie mensch eben an den rot-roten Koalitionsregierungen in Berlin und Brandenburg sieht.

//von Joachim, Berlin, für RIO

 

Sind Bullen ArbeiterInnen?

Eine wichtige theoretische Frage für die Linke

ProletarierInnen sind alle, die keine Produktionsmittel besitzen und deswegen gezwungen sind, Ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Bullen besitzen keine Produktionsmittel und verkaufen ihre Arbeitskraft. Also sind Bullen ArbeiterInnen? Immerhin ist ihre Gewerkschaft, GdP, Mitglied im deutschen Gewerkschaftsbund.

Das war eben nur die Kurzversion der Definition vom Proletariat. Denn wer zum staatlichen Repressionsapparat gehört, hat ein materielles Interesse an der Aufrechterhaltung dieses Apparats, sprich: ein Interesse im Gegensatz zum Interesse der gesamten ArbeiterInnenklasse. Deswegen sollte er/sie trotz der Lohnabhängigkeit nicht zum Proletariat gezählt werden.

Trotzki schrieb im Jahr 1932 über die preußische Polizei:

"Für den Fall wirklicher Gefahr setzt die Sozialdemokratie ihre Hoffnungen nicht auf die 'Eiserne Front'* sondern auf die preußische Polizei. Eine trügerische Rechnung! Der Umstand, daß die Polizisten in bedeutender Zahl unter sozialdemokratischen Arbeitern rekrutiert wurden, will ganz und gar nichts besagen. Auch hier wird das Denken vom Sein bestimmt. Die Arbeiter, die Polizisten im Dienst des kapitalistischen Staates geworden sind, sind bürgerliche Polizisten und nicht Arbeiter. In den letzten Jahren hatten sich diese Polizisten weitaus mehr mit revolutionären Arbeitern zu schlagen als mit nationalsozialistischen Studenten. Eine solche Schule hinterläßt Spuren. Und die Hauptsache: jeder Polizist weiß, daß die Regierungen wechseln, die Polizei aber bleibt."

(Leo Trotzki, Was Nun?, Kapitel 1, *Die Eiserne Front war der bewaffnete Arm der sozialdemokratischen Organisationen in Deutschland)

Als Einwand gegen diese Position kommt manchmal: "RevolutionärInnen brauchen eine Politik, um die Polizei zu spalten. Haben das die Bolschewiki nicht 1917 in Russland gemacht?"

Nein. Die Bolschewiki spalteten die Armee, die damals aus Millionen wehrpflichtigen Bauernsöhnen bestand. Diese wussten – im Gegensatz zu PolizistInnen – dass sie irgendwann nach dem Krieg zurück aufs Land fahren mussten. Sie wussten, dass sie keinerlei Karriere bei der Armee machen konnten. Deswegen fällt die Befehlsverweigerung SoldatInnen tausendmal leichter als PolizistInnen: letztere haben gar keine andere Perspektive als der Gehorsam bis zur Rente.

Trotzki beobachtete diesen fundamentalen Unterschied zwischen SoldatInnen und PolizistInnen während der Russischen Revolution:

"Den ganzen Tag ergossen sich Volksmassen aus einem Stadtteil in den anderen, wurden von der Polizei energisch auseinandergetrieben, von Kavallerie –, teils auch Infanterieabteilungen aufgehalten und zurückgedrängt. Neben den Rufen „Nieder mit der Polizei“ erscholl immer häufiger ein „Hurra!“ auf die Kosaken. Das war bezeichnend. Gegen die Polizei war die Menge von wildem Haß erfüllt. Die berittenen Schutzleute empfing man mit Pfiffen, Steinen und Eisstücken. Anders gingen die Arbeiter an die Soldaten heran. An Kasernen, neben Wachtposten, Patrouillen und Sperrketten standen Gruppen von Arbeitern und Arbeiterinnen; es flogen freundschaftliche Worte hin und her. Das war eine neue Etappe, sie war die Folge der anwachsenden Streiks und der Konfrontierung der Arbeiter mit der Armee."

"Die Polizei verschwand bald völlig von der Bildfläche, das heißt, sie begann aus dem Hinterhalt zu operieren. Dagegen erschienen Soldaten mit umgehängten Gewehren. Die Arbeiter riefen ihnen sorgenvoll zu: „Kameraden, seid ihr wahrhaftig gekommen, der Polizei zu helfen?“ Die Antwort war ein barsches „Weitergehen!“. Ein erneuter Versuch, ins Gespräch zu kommen, endete in gleicher Weise. Die Soldaten sind düster, etwas wurmt sie, auch sie ertragen es nicht mehr, wenn die Frage den Kern ihrer Not trifft.
Die Entwaffnung der Pharaonen wird unterdes allgemeine Parole. Die Polizei ist der grimmige, unversöhnliche, verhaßte und hassende Feind. Sie zu gewinnen – davon kann keine Rede sein. Die Polizisten muß man schlagen oder erschlagen. Etwas ganz anderes ist das Heer. Die Menge vermeidet auf jede Weise feindselige Zusammenstöße mit ihm, im Gegenteil, sie sucht die Soldaten zu gewinnen, zu überzeugen, herüberzuziehen, zutraulich zu machen, sich mit ihnen zu vereinen."

(Leo Trotzki, Geschichte der Russischen Revolution, Band 1, Kapitel 7, eigene Hervorhebung)

Gegen diese marxistische Klassenanlyse betonen z.B. die GenossInnen von der SAV, dass die Polizei für den Sozialismus gewonnen werden könnte. Sie seien ja "ArbeiterInnen in Uniform". Das ist ziemlich weit entfernt von der marxistischen Position, die u.a. von Lenin in "Staat und Revolution" präsentiert wurde.

Diese Debatte ist nicht nur von theoretischem Interesse, sondern hat auch ganz praktische Auswirkungen. Z.B. gab es beim Schulstreik im November 2008 heftige Auseinandersetzungen darüber, ob wir zusammen mit der GdP demonstrieren sollten (siehe die "Bilanz des Schulstreiks" unter "Weitere Artikel".)

Gab es je in der Geschichte eine revolutionäre Situation, wo die Bullen eine fortschrittliche Rolle spielten? Bisher haben wir nur eine Antwort auf diese Frage gehört: Emil Eichhorn, der während der Novemberrevolution Polizeipräsident von Berlin war und in dieser Funktion für die sozialistische Revolution agierte. Doch Eichhorn war von der revolutionären Regierung zum Polizeipräsident ernannt worden – er kam keineswegs aus dem Polizeiapparat. Außerdem ist er bei erster Gelegenheit wieder rausgeflogen (was der unmittelbare Anlass für den Januaraufstand war), während die Berliner Polizei, die bis vor kurzem unter seiner Führung gestanden hatte, geschlossen die Konterrevolution mittrug.

Aus theoretischen Überlegungen wie aus praktischen Erfahrungen können wir schlussfolgern, dass Bullen nicht zur ArbeiterInnenklasse gehören.

//aus einem Vortrag von Wladek, RIO Berlin

 

Weitere Artikel:

Keine Solidarität mit Bullen! (im Rahmen des Schulstreiks)

Bilanz des Schulstreiks (siehe Infokasten zu Berlin)

Grüne Gewerkschafter (über die GdP)

Open letter to Marxist.com: Can Marxists be friends with the police? (Englisch)

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