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90 Jahre Russische Revolution: Teil 0

Die Einleitung

Warum überhaupt noch über die Oktoberrevolution reden?

Über die Oktoberrevolution bekommt man in der Schule oder in den Medien einiges beigebracht. Zum Beispiel: Der deutsche Generalstab habe Lenin und Co. Unmengen von Gold zugeschoben, um den russischen Zaren zu stürzen.

Oder: die Bolschewiki, als entschlossene Minderheit, haben sich mit Waffengewalt an die Macht geputscht und ihre „bolschewistische Diktatur“ etabliert.

Oder: nach der Februarrevolution befand sich Russland auf dem Weg zu einer parlamentarischen Demokratie nach westlichem Muster, aber diese Entwicklung wurde durch die Oktoberrevolution blockiert.

Doch bei all diesen Darstellungen fallen schon einige Ungereimtheiten auf: wie soll eine Kleinpartei wie die Bolschewiki (mit 30.000 Mitgliedern in einem riesigen Reich mit 160 Millionen EinwohnerInnen) einfach so die Macht an sich gerissen haben – deutsches Gold hin oder her?!?

Die Verunglimpfung

Es ist kein Zufall, dass die russische Revolution heutzutage in den Schulen und in den Medienverunglimpft wird. Die kapitalistische Gesellschaft erweist sich für immer breitere Schichten der Bevölkerung als unerträglich: trotz wirtschaftlichen Aufschwungs wird in der Schule gekürzt; auf der Uni müssen wir Gebühren zahlen; auf der Arbeit müssen wir länger arbeiten für weniger Geld oder wir werden auf dem Arbeitsamt schikaniert. Und ständig schleppen wir Klamotten mit uns herum, die von Kindern in den armen Ländern der Welt genäht wurden. Im globalen Maßstab erweist sich der Kapitalismus als besonders brutal: unsere Umwelt wird systematisch zerstört und statt etwas dagegen zu unternehmen, werden arme Ländern militärisch besetzt und dabei Hunderttausende Menschen getötet.

Immer mehr Menschen fragen sich, ob solche Erscheinungen wirklich unvermeidlich sind – ob das menschliche Leben nicht anders organisiert werden könnte. Die KapitalistInnenen, mittels ihrer Schulen, Zeitungen, Fernsehsender usw. antworten mit einem erschütternden „NEIN!“ Umso dringlicher müssen sie jedes historische Beispiel, wo ArbeiterInnen sich erhoben und eine andere Gesellschaft zu etablieren versucht haben, schwarz malen.

„Versucht bloß nicht wieder, die kapitalistische Gesellschaft zu überwinden – denn sonst habt ihr Gulags, Schauprozesse, Bürokratieherrschaft, Stasi, Trabis und alle anderen Erscheinungen des Stalinismus.“ Aber stimmt das wirklich? Gerade deswegen möchten wir eine andere Sicht der Oktoberrevolution anbieten.

Die Krise und die Doppelmacht

Das eigentliche Geheimnis der Oktoberrevolution war, dass die Masse der arbeitenden Menschen, die in unserer „Demokratie“ nichts zu sagen hat, die Macht in ihre eigenen Hände nahm. Die Bolschewiki haben sich nicht hingestellt und proklamiert, die neuen Herren im Russischen Reich zu sein – das hätte freilich nicht funktioniert.

Schon vom Beginn der russischen Revolution an organisierten sich die ArbeiterInnen, Soldaten und Bauern/Bäuerinnen in Räten. Diese Räte – oder „Sowjets“ auf Russisch – versammelten Delegierte, die von der Basis direkt gewählt wurden. Am Anfang haben diese Räte nur die Beschwerden der Unterdrückten gesammelt und weitergeleitet. Aber nach und nach übernahmen sie die Verwaltung des Alltags in den Fabriken und den Arbeitervierteln. Die Bolschewiki zeigten, wie solche Räte eine Regierung der ArbeiterInnen und Bauern/Bäuerinnen aufstellen könnten.

Solche Strukturen erscheinen in jeder revolutionären Krise: in Russland wurden sie Sowjets genannt, aber der Name ist unwesentlich. In Paris 1871 hieß es „La Commune“, In Deutschland 1918 entstanden „Arbeiter- und Soldatenräte“, in Bolivien 1971 war es die „Asamblea Popular“ (Volksversammlung) und in Bolivien 2003 waren es die „Juntas Vecinales“ (Nachbarschaftsräte), die diese Funktion übernommen haben. Wesentlich ist, dass sie die breite Masse der arbeitenden Bevölkerung permanent zusammenbringen, damit sie sich als Klasse ins politische Leben einmischen können. Sie stellen eine organisierte Macht der Unterdrückten gegenüber der Macht der KapitalistInnen (ihres Staates) dar. Deswegen spricht mensch von revolutionären Krisen als Situationen der „Doppelmacht“.

Die Partei und die Internationale

Diese Räte können zum wichtigsten Instrument einer sozialistischen Revolution werden. Aber an sich lösen sie keine Probleme: zum Beispiel standen bei der deutschen Revolution 1918 die Räte unter Führung der SPD. Anstatt, wie ein Jahr zuvor in Russland, die provisorische Regierung zu stürzen, wurden sie zu einer Stütze der bürgerlichen Regierung – und daran scheiterte letztendlich die Revolution in Deutschland.

An diesem Beispiel sieht mensch die Bedeutung einer revolutionären Partei, die ein politisches Programm ausarbeitet, die aktivisten und bewusstesten ArbeiterInnen organisiert, die verschiedenen Kämpfe der Unterdrückten zusammenführt und in eine revolutionäre Richtung lenkt. Gerade durch die Räte kann eine solche Organisation eine Mehrheit der ArbeiterInnen für ihre Perspektive gewinnen.

Eine solche revolutionäre Partei entsteht nicht spontan in der Hitze der Revolution. Sie muss schon vorher aufgebaut werden. Deswegen arbeiten wir an der Schaffung revolutionärer Organisationen, auch wenn eine ernsthafte Krise des globalen Kapitalismus nicht vor der Tür steht.

Nun, warum endete die Oktoberrevolution in einer bürokratischen Diktatur mit dem stalinistischen Unterdrückungsapparat, den keinE ernsthafteR SozialistIn verteidigen würde? In dieser kurzen Einleitung ist kein Platz für eine ausführliche Antwort auf die Frage. Aber: die russische Revolution kann nur als erstes Glied in der Kette der Weltrevolution gesehen werden. Russland war ein sehr armes und rückständiges Land. Die Vorstellung, Sozialismus allein in Russland aufzubauen, wurde 1917 nicht mal von Stalin vertreten. Stattdessen sollte die sozialistische Revolution sich auf entwickeltere Länder wie Deutschland, Frankreich, England usw. ausdehnen. Erst als diese internationale Revolution niedergeschlagen wurde, konnte sich eine Bürokratie unter Stalins Führung etablieren. Diese Bürokratie machte wesentliche Errungenschaften der Revolution rückgängig und unterdrückte die Grundlage des sozialistischen Aufbaus, die Arbeiterdemokratie, rücksichtslos.

Weiterlesen!

Diese Broschüre bietet einen sehr einfachen Überblick über die Ereignisse in Russland zwischen Februar und Oktober 1917. Diese Broschüre soll nur eine Einführung darstellen: Am Ende werden zwei Bücher über die Revolution empfohlen, die das Feeling von vor 90 Jahren in der russischen Hauptstadt wesentlich besser vermitteln. Wir wollen nur einige grundlegende Fakten und Lehren anbieten, um zum weiteren Studium anzuregen.

Also wie fing alles an? Einfach weiterlesen...

//von Wladek, Revo Berlin, November 2007 //Broschüre "Oktober im November"

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