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Von Neukölln zur Weltrevolution: Zur Kommunistischen Jugendinternationale

Das erste Programm der Kommunistischen Jugendinternationale

(Angenommen auf dem I. Kongreß der KJI, 20. bis 26. November 1919 in Berlin.)

1. Die außerordentliche Entwicklung der Kapitalanhäufung und der Produktion hat den Kapitalismus in eine neue Phase seiner Entwicklung geführt, in die Phase des Imperialismus, der sich durch die Bildung von Trusts, Syndikaten und Kartellen und durch die Herrschaft des Finanzkapitals auszeichnet. Die Kolonialpolitik, hervorgerufen durch die Notwendigkeit des Warenabsatzes und der Rohstoffgewinnung, die Konkurrenz nationaler, kapitalistischer Cliquen, rufen mit eiserner Notwendigkeit imperialistische Kriege hervor. Der Krieg 1914/18, dessen Folgen durch die Kräfte der kapitalistischen Gesellschaft nicht liquidiert werden können, hat das wirtschaftliche Leben der meisten kapitalistischen Staaten gestört und zerrüttet. Das furchtbare Elend des Krieges, Hunger, finanzieller und industrieller Zusammenbruch, die Vernichtung von Millionen Menschenleben hat die Menschheit in eine Sackgasse geführt, aus der es nur einen Ausweg gibt: die sozialistische Weltrevolution. Die materiellen Bedingungen hierfür sind reif: Die Klassengegensätze haben sich außerordentlich zugespitzt. Der Sieg der Revolution hängt von dem Willen und der Energie des internationalen Proletariats ab. Der Weg zum Sozialismus führt über die Diktatur des Proletariats, die gekennzeichnet ist durch die Herrschaft revolutionärer Räte. Die nächste Aufgabe der Arbeiterklasse aller Länder ist der Kampf um die Niederwerfung der politischen, wirtschaftlichen und geistigen Herrschaft des Imperialismus und die Errichtung der proletarischen Diktatur. Ein siegreicher Ausgang dieses Kampfes ist nur dann möglich, wenn das Proletariat sich entschlossen von der II. Internationale abwendet, die in Reformismus und Kompromissen mit der Bourgeoisie versumpft ist, die das Bestreben hat, die alte Gesellschaft zu retten und so Verrat an der Arbeiterschaft übt. Und wenn die Arbeitermassen sich unter dem Banner der Kommunistischen Internationale versammeln, der Führerin im revolutionären Kampfe des Proletariats. In der revolutionären Epoche müssen in erster Linie die Mittel des revolutionären Massenkampfes (Demonstrationen, Streiks, Generalstreik, bewaffneter Aufstand) zur Anwendung kommen. Dabei kann aber das Proletariat grundsätzlich auf kein politisches Mittel, auch nicht auf das Parlament, verzichten. Der Eintritt ins Parlament hängt ab von der jeweiligen politischen Situation und muß von den Organisationen des einzelnen Landes entschieden werden.

2. Wenn die Lage der erwachsenen Arbeiter unter der Herrschaft des Kapitalismus eine überaus schwere ist, so ist die der Jugendlichen unerträglich. Geringer Arbeitslohn, lange Arbeitszeit, barbarische Behandlung durch Unternehmer und Meister kennzeichnen die Lage der jugendlichen Arbeiter. Und noch schlimmer ist es beim Handwerk, wo die Lehrlinge der Gewalt ihrer Meister vollkommen preisgegeben sind. Diese schrankenlose Ausbeutung der jugendlichen Arbeiter hemmt ihre geistige und körperliche Entwicklung. Der bürgerliche Staat vermittelt der arbeitenden Jugend nur so viel Bildung und Wissen, als notwendig ist, um sie als willige und nützliche Arbeitstiere ausbeuten zu können. Die Bourgeoisie hat das Bestreben, die Jugend in ihren Ideenkreis zu bannen. Die Schule, klerikale und bürgerliche Jugendvereine und die Militarisierung haben den Zweck, die proletarische Jugend dem Kampf um den Sozialismus zu entfremden und sie zu ergebenen Soldaten des Imperialismus zu erziehen. Der Weltkrieg hat die Lage der Jugendlichen noch bedeutend verschlechtert. Millionen von ihnen sind als Kanonenfutter an die Front geschickt, neue Millionen werden in die kapitalistische Produktion hineingetrieben.

Obwohl der Staat und das Unternehmertum die Kräfte der Jugend restlos ausnützen, besitzt diese die wenigsten politischen und persönlichen Rechte. Diese ihre Lage zwingt die Arbeiterjugend als Teil der Arbeiterklasse zum rücksichtslosen Kampf gegen den Imperialismus.

3. Die Gründung besonderer proletarischer Jugendorganisationen wird bedingt: 1. durch die Stellung der Jugend im Produktionsprozeß und in der Gesellschaft, die ihr den Kampf zur Verteidigung ihrer Interessen aufzwingen (Umgestaltung der Arbeit, Neugestaltung der Schule), 2. durch psychologische Eigenheiten der Jugend (Beherrschung des Verstandes durch das Gefühl, leichte Auffassungsgabe, empfänglich für alles Neue, revolutionäre Ideen, Opfer- und Tatbereitschaft), 3. durch die Notwendigkeit besonderer Methoden für ihre sozialistische und revolutionäre Erziehung (selbsttätige und selbständige organisatorische Arbeit, aktive Teilnahme an politischen Aktionen, Anwendung aller Methoden, die es den Jugendlichen ermöglichen, sich die Fähigkeit anzueignen, die sie später als proletarische Klassenkämpfer und Träger der revolutionären Bewegung dringend benötigen).

4. Die Arbeiterjugend ist der aktivste und revolutionärste Teil des Proletariats. Die wichtigste Aufgabe der kommunistischen Jugendorganisationen ist gegenwärtig eine unermüdliche politische Agitation unter den breiten Massen der Arbeiter, die Organisation und die Durchführung politischer Aktionen, der unmittelbare Kampf für den Kommunismus, die Teilnahme an der Niederwerfung der kapitalistischen Herrschaft und die Erziehung der Jugendlichen zu Erbauern der kommunistischen Gesellschaft.

5. Die kommunistischen Jugendorganisationen führen einen energischen Kampf gegen alle bürgerlichen Parteien, ebenso wie gegen die rechtsstehenden Sozialisten, die offenen Lakaien der Bourgeoisie (Scheidemann, Renner, Bissolati, Renaudel, Henderson, Compers, Troelstra, Branting, Vandervelde usw.), ferner gegen das "sozialistische" Zentrum (Kautsky, Macdonald, Robert Grimm, Bauer usw.), die durch ihr schwankendes Verhalten die kapitalistische Gesellschaft stützen. Sie kämpfen auch gegen die syndikalistische Ideologie, die sich gegen den politischen Kampf zur Eroberung der proletarischen Diktatur wendet, die Leitung dieses Kampfes durch eine politische Partei verwirft und die proletarische Zentralisation ablehnt. Ebenso kämpfen sie gegen die anarchistische Ideologie, die sich überhaupt gegen den proletarischen Staat als Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus richtet und kleinbürgerliche Ideen auf wirtschaftlichem Gebiete propagiert. Den gleichen Kampf führen sie gegen alle Jugendorganisationen, die sich an obengenannte Parteien anlehnen. In ihrem politischen Kampf stellen sich die Jugendorganisationen auf den Boden des Programms derjenigen Parteien oder Fraktionen ihres Landes, welche der III. Internationale angeschlossen sind, oder des Programms der Kommunistischen Internationale.

Die Organisationsbeziehungen zur Partei werden durch zwei Grundprinzipien bestimmt: 1. Selbständigkeit der Jugend, 2. enger Kontakt und gegenseitige Hilfe.

6. Obwohl die kommunistischen Jugendorganisationen wie bisher einen energischen Kampf gegen den bürgerlichen Militarismus in allen seinen ideellen und praktischen Formen führen, treten sie jedoch nicht für liberale pazifistische Ideen ein. Sie wissen, daß die Arbeiterklasse, um den Imperialismus niederzuwerfen, um die siegreiche Diktatur des Proletariats gegen Überfälle der Bourgeoisie zu schützen, gezwungen sein wird, von den Waffen Gebrauch zu machen. Gegen den bürgerlichen Militarismus, für die Bewaffnung des Proletariats, für die Rote Armee; das ist die Losung der kommunistischen Jugend.

7. Der Kampf um die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der proletarischen Jugend ist eine der wichtigsten Aufgaben der Jugendorganisationen. Die Umgestaltung der Jugendarbeit ist nur in der kommunistischen Gesellschaft möglich. In der gegenwärtigen Periode der kapitalistischen Herrschaft kann eine teilweise Verbesserung der Lage der Jugendlichen nur durch den revolutionären Kampf erreicht werden und keinesfalls durch Zusammenarbeit mit den Unternehmern und dem bürgerlichen Staate.

8. Die elementaren Aufgaben der kommunistischen Jugendorganisationen sind: Ausbildung bewußter kommunistischer Kämpfer und zukünftiger Erbauer der kommunistischen Gesellschaft. Kommunistisches Bewußtsein und Kampftüchtigkeit wird außer durch Teilnahme am politischen Kampfe durch theoretische, sozialistische Bildung. erworben, die auch eine scharfe Waffe im Kampfe gegen die bürgerliche Ideologie ist. Sozialistische Bildung in Verbindung mit aktiver Teilnahme am politischen Kampfe sind die Erziehungsmethoden der jungen proletarischen Kämpfer.

9. Die kommunistischen Jugendorganisationen stellen sich außerdem eine umfassende Bildung der Jugend im marxistischen Geist und damit die Hebung des kulturellen Niveaus zur Aufgabe. Die Arbeiterjugend muß der Bourgeoisie die Schätze des menschlichen Wissens abringen, die sie zur Führung des proletarischen Befreiungskampfes notwendig braucht. Sie muß sich auch die Wege zur Wissenschaft, Literatur und Kunst erobern. Außer gewissenhaften Arbeitern und roten Soldaten müssen aus ihren Reihen die Gelehrten, Techniker, Organisatoren, Philosophen, Dichter und Künstler der neuen kommunistischen Gesellschaft hervorgehen. Die Arbeiterjugend und ihre Organisation ist dazu berufen, mit in erster Reihe die neue, vom Geiste des Kommunismus getragene proletarische Kultur aufzubauen.

10. Die kommunistischen Jugendorganisationen sollen die proletarische Jugend zu gesunden Menschen erziehen, gesund den Menschen erziehen, gesund an Geist und Körper. Darum pflegen die kommunistischen Jugendorganisationen auch die körperliche Ausbildung der Jugend. Diese Arbeit, die heute nur einen Teil der gesamten Tätigkeit ausmachen kann, ist von großer Bedeutung für die Arbeiterjugend.

11. Obgleich die kommunistischen Jugendorganisationen darauf bedacht sind, die breiten Massen der proletarischen Jugend für ihre Ideen zu gewinnen, so darf dieser Gewinn doch nicht auf Kosten der Klarheit ihres kommunistischen Programmes und ihrer kommunistischen Taktik geschehen. Äußerst wichtig ist die Agitation der kommunistischen Jugendorganisationen unter den Landarbeitern und ärmsten Bauern.

12. Die Kommunistische Jugendinternationale hält das Bestehen besonderer Organisationen sozialistischer Intellektueller für überflüssig. Die ehrlichen Revolutionäre unter der studierenden Jugend sollen Mitglieder der proletarischen Jugendorganisationen werden, als Gleiche unter Gleichen, als Kameraden unter Kameraden. Die Errichtung von Gruppen intellektueller Jugendlicher innerhalb der allgemeinen Jugendorganisationen müssen nach den besonderen Verhältnissen der einzelnen Länder geregelt werden.

13. In der gegenwärtigen revolutionären Epoche kann der proletarische Kampf nur siegreich sein, wenn er international geführt wird. Dies gilt auch für den Kampf der Jugend. Darum schließen sich die proletarischen Jugendorganisationen zur Kommunistischen Jugendinternationale zusammen. Die Hauptaufgabe der Jugendinternationale ist die zentralisierte Leitung der ganzen Arbeit und des Kampfes der kommunistischen Jugendorganisationen der verschiedenen Länder. Ihre Beschlüsse sind für alle Jugendorganisationen höchstes Gesetz. Ihre praktische Arbeit besteht in der internationalen Agitation und Leitung der politischen Aktionen. Sie hat die Aufgabe, der ganzen Tätigkeit der Jugendorganisationen einheitliche Richtlinien zu geben, sie ideell und materiell zu unterstützen, neue Verbände zu gründen und die proletarischen Jugendorganisationen aller Länder in enge Fühlung miteinander zu bringen.

14. Die Kommunistische Jugendinternationale steht auf dem Boden der Entschließungen des ersten Kongresses der III. Internationale und bildet einen Teil dieser kommunistischen Internationale. Die Zentrale der Kommunistischen Jugendinternationale ist organisatorisch mit der III. Internationale verbunden und arbeitet mit ihr in engster Kampfgemeinschaft.

//Quelle: Alfred Kurella: Gründung und Aufbau der KJI. München 1972. S. 193-196.

 

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